Liebe Oma
Acht Dekaden sind nun verflossen,
Die Du schon weilst auf Erden,
Obwohl Du nach der siebten noch beschlossen,
Achtzig wollt'st Du nicht mehr werden
Und ich bin froh an diesem Tage,
Dass es Dir dennoch gelang!
Aus dieser Freude - keine Frage -
Hoff' ich jetzt, Du bleibst noch lang!
Wer nach so viel ab und auf,
Noch immer und auch so viel lacht,
Der um Wehgeklage und Geschnauf'
Lieber einen Bogen macht,
Ein Mensch, der noch völlig selbstbewusst
In ferne Länder reisen tut,
Ein Mensch, so voller Lebenslust,
Ein Mensch, wie Du, der tut mir gut!
Die meisten werden mit der Zeit
Körperlich weit und geistig eng.
Du bist jedoch für Neues bereit,
Körperlich agil und nicht so streng,
Du rauchst und lässt die Gläschen schwenken,
Fröhnst dem Genuss auf manchen Wegen,
Den Mahnern, die der Vernunft gedenken,
Setzt Du deinen Spass entgegen!
Ob Du's erkannt hast, ist nicht wichtig,
Du siehst den Ernst, die Freude siegt,
Was zählt, Du machst es eh schon richtig,
Im Spass der Sinn des Lebens liegt!
Und wenn ich im Alter Dir nachstrebe,
Hätte ich sehr, sehr viel geschafft.
Dass ich Dich heute so erlebe,
Gibt mir für meine Zukunft Kraft!
Mit Hochachtung, Dank und Liebe:
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag,
Dein Enkel
Inge Georgy, Köln 1969, Bozen 1971, und Hamburg 1989 mit mir
Inge Braun, USA ca 1932
Meine Oma, die Mutter meiner Mutter, kam als Ingeborg Hedwig Lydia Braun 1913 in Frankfurt (Main) zur Welt, verbrachte einige Zeit in den USA, heiratete Paul Georgy, lebte über 40 Jahre in Köln und blieb mir zum Glück bis 2006 erhalten.
Andere bezeichneten mich stets als "Oma-Kind", ein Indiz für das innige Verhältnis, das ich zu Ihr hatte. Wachen Geistes teilte sie meine Art von Humor und war stets offen für allerlei Skurilitäten und diente mir zudem nur allzu oft als Korrektiv familienhistorischer, aber individuell stark verfälschter Erzählungen.
Nach dem Tod ihres Mannes Anfang der 80er erkundete sie ergiebig die weite Welt, vermietete Zimmer des Hauses an Student(inn)en anderer Länder und gab diesen und anderen gerne Nachhilfe in Deutscher Sprache. Das von meinem Opa gebaute Haus in Köln-Heimersdorf war wegen meiner Oma immer ein sozialer Hotspot. Immer wenn ich ein paar Tage zu Besuch war, fand ich mich mindestens einmal mitten in einer Zusammenkunft aus mir über die Jahre vertrauten Freunden und Bekannten oder den Verwandten aus Nord-, Süd- und Ostdeutschland wieder, wobei sich solche Treffen gerne auch weit bis nach Mitternacht ausdehnen konnten.
Inge Georgy, Köln 1997
Fortsetzung bei der Laudatio zu ihrem 90sten.
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