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Songtexte und Gedichte von T. Paul Fischer

Du weinst
Text & Musik ©Juli 1980: T.Paul Fischer = SicPaul

Ich blick' in dein Gesicht,
Seh', du lächelst nicht,
Du denkst an das Geschehen in der Welt.
Seh', der Augen Glanz
Ist verschwunden ganz,
Denn du siehst vieles, was dir nicht gefällt:

Tausend Kriege hier,
Machtstreben und Gier
Und Frieden ist halt nur ein leeres Wort.
So brutal und kalt
Herrscht hier die Gewalt
Und überall riecht es nach neuem Mord.

Schon Kinder spielen gern
Mit Panzern und Gewehr'n,
"Peng, du bist tot" - und wie sie sich dann freu'n;
Sind grad' aus der Wieg',
Üben schon den Krieg,
Das geht nicht gut, wenn sie Gewalt nicht scheu'n!

Sieh die Jugend an,
Kommt mit Messern 'ran,
Sticht und spricht: "Was sind wir wieder toll!"
Sie tritt in Kürze dann
Zum Marschieren an;
Da fragt man sich, wo das noch enden soll!

Und wir gehen schnell vorrüber,
Woll'n 's nicht hör'n und woll'n 's nicht seh'n,
Denken nach nicht gern darüber,
Durch welches Übel wir da geh'n.

Grau in grau die Stadt,
Beton, blass und matt,
Alles, was noch grün ist, wird entfernt,
Anonymität
Gerade hier entsteht,
Da man sich so fast nicht mehr kennenlernt.

Kino und Fernseh'n
Lösen das Problem,
So heilt man den, der Einsamkeit erlitt.
Und der Gewalttat Sieg,
Brutaler Mord und Krieg,
Das ist beim Film der absolute Hit.

Die einen nehmen fein
Bunte Drogen ein
Und hoffen, dass der Sorgenberg so weicht.
Stetig angetörnt
Sind sie weit entfernt
Von Antriebskraft, die Besserung erreicht.

Manch and'rer pumpt sich voll,
Voll mit Alkohol,
Dauerhaft und völlig ohne Halt.
So mancher stürzt dann tief,
Wird schnell aggressiv,
Und dann regiert nur wieder die Gewalt.

Und wir gehen schnell vorrüber...

Und am Arbeitsplatz
Gilt oft dieser Satz,
Arbeite fein fleißig und sei still,
Sei ein Apparat,
Der keinen Anspruch hat,
Statt Emotion Funktionalität man will.

Und es regiert das Geld
Uns're kalte Welt,
Nicht cool zu sein, dazu braucht's heute Mut.
Jeder strebt nach Macht,
So lang, bis es kracht,
Und wieder einmal fließt dann neues Blut.

Du willst nur noch schrei'n,
Doch du lässt es sein,
(Denn) Gesellschaftsnormen zügeln deinen Frust.
All das Elend hier,
Getrieben von Habgier,
Schmälert Spaß an unbeschwerter Lust.

Du hasst diese Welt,
Weil hier Liebe fehlt
Und der Raum für Empathie zu klein.
Immer sagen sie,
Zeige Schwäche nie,
Doch du willst nur ein bisschen menschlich sein.

Alle hasten schnell vorrüber,
Kaum jemand stört's, wohin wir geh'n,
Und du klagst zu Recht darüber,
Dass wir den Irrsinn nicht klar seh'n.

Ich blick' in dein Gesicht,
Seh', du lächelst nicht,
Und Tränen laufen langsam los
- Du weinst ...


Änderungen:
Bereits bis zum Ende der ersten Tour etablierten sich die altuellen Umstellungen. Zuvor und noch im ersten getippten Textbuch lauteten die Refrains immer: "Und die Leute gehen vorrüber, / Woll'n nichts hör'n und woll'n nichts seh'n, / Denken nach nicht 'mal darüber, / Durch welches Übel sie grad' geh'n.", Strophe acht hieß "Die Leute nehmen fein / Ihre Drogen ein / Und glauben, daß die Sorge dadurch weicht. / Dann sind sie angetörnt / Und viel zu weit entfernt, / So weit weg, daß sie kein Gefühl erreicht.", Strophe neun statrtete mit "Sie pumpen sich auch voll," und Strophe elf war noch sehr schwammig "Du willst nur noch schrei'n, / Doch du läßt es sein, / Die Gesellschaft zieht auch dich in ihren Bann. / Hemmungen sind dort, / Du wünschst sie dir fort, / Weil Offenheit so nicht entstehen kann" (zitiert nach alter Rechtschreibung).

Hörprobe

Gestartet mit Metronom und leicht verstimm­ter 12-Saiten­gitarre sang ich erst abschnitt­weise eine Orien­tie­rungs­spur, bevor die Haupt­stimme folgte und ich die Drums pro­gram­mier­te. Nach ein paar Synthe­sizer-Ein­wür­fen musste ich die Auf­nahmen erst mal unter­brechen.
Als Hörprobe daher ein arg vorläufiger Mix:
TPF 1982 Version 006c, Spielzeit 7:03 Minuten

...


Akkorde

89 BPM

Strophen 1,3,7,9,11,13:
Pro Zeile a, aG
Strophe 5:
Pro Zeile e, eD

Strophen 2,4,8,10,12:
||:hsus2, hsus2:||, A, G - ||:A, A:||, G,F,a
Strophe 6:
||:D, D:||, C,G,D - ||:E, E:||,C,D,E

Refrain:
F, a, G, D - F, E, A, G

Kommentar

Mein Straßenmusik-Trip führte mich an Köln vorbei, wo ich die gute Ge­le­gen­heit nutzte, bei meiner Oma zu über­nachten und zwei Tage Pause zu machen. Dank der Muße­stunden konnte ich dort diesen Text recht weit ent­wickeln, dessen Thema­tik sich aus einem Fern­seh­bericht über "Problem-Stadt­teile" deutscher Städte, der nahe ge­lege­nen Hoch­haus­sied­lung "Chor­weiler", sowie der all­gemeinen poli­tischen Lage ergab. Des­weiteren hatte ich diverse zarte Geschöpfe vor Augen, denen rund um Dis­kussionen nach meinen Auf­tritten vor Ver­zweif­lung ob des Ist-Zustands gerne mal ein paar Tränchen kullerten.
Musikalisch noch recht unfertig, aber frisch ein­gebaut in das Repertoire meiner an­schließen­den Straßen­dar­bietungen, nahm der Song nach und nach in etwa die heutige Gestalt an. Der akkordische Ablauf konnte aber je nach Fähig­keiten und Vor­berei­tungs­zeit der bisweilen spontan ein­stei­genden Mit­musiker äußerst stark vari­ieren. Der Einfachheit halber nutzte ich auf Tour oft die einfache Struktur der ersten Strophe, die alle zwei Strophen chroma­tisch nach oben ver­schoben wurde, was meine Stimme damals noch mühe­los mit­machte. Die hier vor­ge­stell­te eigent­liche Version wäre fast ver­loren ge­gangen, wenn da nicht noch ein kleines Schnipsel­chen mit darüber­gekritzelten Akkorden exis­tierte...

©2015-2024, T.P.Fischer alias SicPaul